Ford E350 – In 202 Tagen durch 22 Staaten von Florida nach Alaska
Die Schweizer Catherine und Mattia lebten 202 Tage in ihrem Ford E350 und fuhren damit durch 22 Staaten nordwest von Florida nach Alaska.
Eckdaten zum Ford E350:
- Hersteller: FORD
- Modell: E350 Gulfstream Ultra Limited Edition
- Baujahr: 1995
- Sitzplätze: 4
- Gesamtgewicht: 4’750kg
- Kilometerstand: 109’500
- Hubraum: 7,5L
- Leistung: 250 PS
- Verbrauch auf 100km: 25l
- Führerscheinklasse: Kategorie B (USA)
- Höchstgeschwindigkeit: 130km/h bei Rückenwind bergab
- Kraftstoff: Benzin
- Preis: 9’800 US-Dollar
- Versicherung: 1’200 US-Dollar / Jahr
- Kfz-Steuer: 50 US-Dollar
Stellt euch doch mal kurz vor und sagt uns auch gleich, wieso ihr euch für diesen Lifestyle entschieden habt!
Hi, wir sind Catherine und Mattia, beide 29 Jahre alt und ursprünglich von der Schweiz. Uns kennt man auch als northwestbound.
Wir haben im Dezember 2017 unsere Jobs und Wohnung in der Schweiz gekündigt, haben unsere 7 Sachen gepackt und sind nach Nordamerika geflogen.
Da haben wir einen Camper gekauft, um damit so lange wie möglich durch den wunderschönen Kontinent zu reisen.
Schlussendlich sind wir während 7 Monaten 35’000 Kilometer von Süd-Florida bis nach Fairbanks in Alaska gefahren und danach auch wieder zurück.
Wir haben uns für diesen Lifestyle entschieden, weil wir gerne mal ein bisschen langsamer durchs Leben wollten.
Und genau das haben wir auch getan, und tun es immer noch.
Was hat euch dazu bewogen euch genau den Ford E350 zu kaufen?
Als wir unsere Reise geplant haben, hatten wir uns zuerst überlegt, einen alten, gelben, amerikanischen Schulbus zu kaufen und komplett nach unseren Vorstellungen umzubauen.
Nach vielen Stunden Recherche in Foren, auf Blogs und vor allem YouTube haben wir dann aber bald gemerkt, dass das ein zu großes Projekt für uns wäre.
Der Umbau würde zu viel Zeit und auch Geld beanspruchen, beides Dinge, die wir lieber mehr auf der Straße hätten.
Wir haben dann beschlossen, dass unser neues Zuhause auf Rädern schon ausgebaut, aber trotzdem nicht perfekt sein muss. Wir wollten selbst gewisse Dinge verändern und unseren Touch in das Innenleben stecken.
Bei der Suche war uns der Kilometerstand und das Alter wichtig.
Wir wollten auf jeden Fall ein Fahrzeug, auf das wir uns in erster Linie verlassen konnten, denn wir hatten eine lange Reise vor uns und beide sehr wenig Erfahrung in Sache Autos und Camper.
Bis zum Kauf von «Henry Ford» haben wir noch 2 andere Wohnmobile angeschaut, wovon wir eines um ein Haar gekauft hätten. Das erste war ein grün-weisser Mitsubishi L300 mit Camperaufbau, der von einem Deutschen Paar rund um die USA gefahren wurde und nun in Florida zum Verkauf stand.
Da es aber das einzige Fahrzeug dieser Art in der USA war, hatten wir Probleme, eine Versicherung dafür zu bekommen und auch allfällige Ersatzteile wären nur sehr schwer zu finden gewesen, immerhin hatte das Fahrzeug schon 160-Tausend Kilometer.
Das zweite Fahrzeug, das wir anschauten war ein beiger Dodge Van, der zwar mega cool aussah, aber von der vorherigen Besitzerin komplett vernachlässigt wurde.
An den Dachfenstern hatte es Schimmelpilze, im Motorenraum wurden mit Kabelbindern irgendwelche Dinge zusammengehalten und der Innenraum war seit mindestens 20 Jahren nicht mehr gereinigt oder benutzt worden.
Der Verkäufer wusste auch nicht, ob die Apparate noch funktionieren würden (Gasherd, Wasserpumpe, Heizung, Stromanschlüsse etc.), deshalb fiel auch der aus dem Rennen.
Beim dritten Termin wurden wir dann schliesslich fündig. Charlie zeigte uns seinen Camper von vorne bis hinten, erklärte jede einzelne Finesse und demonstrierte auch, dass alles funktionierte.
Der Ford E350 war extrem sauber, sehr gut in Form für sein Alter und auch die Testfahrt überzeugte uns. 9’800 Dollar für ein Wohnmobil mit 74’000 Kilometern schien uns ein fairer Preis und so kauften wir unseren «Henry Ford».
Gab es irgendwelche Hürden bei der Anschaffung oder beim Umbauen des Ford E350?
Hürden in diesem Sinne eigentlich nicht. Die Anschaffung verlief super einfach, da war alles innert 2 Tagen geregelt. Beim Umbau hingegen standen wir immer wieder vor Herausforderungen, ja.
Zum Beispiel wollten wir die hässlichen Aussenfarben, ein Mix aus Blau und Lila, überstreichen, hatten aber keine Ahnung, welche Farbe wir dafür nehmen sollten.
Zuerst gingen wir in ein paar Farbgeschäfte, dort hatten die Fachmänner aber entweder kein Interesse, uns zu helfen oder dann keine Ahnung von «Autofarben».
Als wir danach online recherchierten, wie es andere gemacht haben, haben wir uns schliesslich für ganz normale Outdoor-Farbe vom Heimwerkermarkt entschieden.
Dasselbe in Grün war dann auch beim Aussuchen des neuen Bodens oder der Innenfarbe.
Eine Hürde hätte Catherine lieber einmal genommen, denn beim «Ausschlachten» des Campers stand sie in einen kleinen Nagel, der sich komplett durch ihre Schuhsohle in ihren Fuss bohrte.
Zum Glück war aber Mattia in der Nähe und hörte sie schreien, denn so war der Nagel schnell wieder draussen und dem Fuss ging es am nächsten Tag schon wieder bestens.
Habt ihr alles an eurem Camper selbst gebaut oder habt ihr schrauben lassen?
Wir haben alles selbst renoviert. Wir hatten allerdings etwas Hilfe von Catherines Eltern sowie von ihrer Schwester.
An der Form und dem generellen Bestandteilen haben wir jedoch auch nicht gross etwas verändert, wir haben eher alt durch neu ersetzt oder aufgefrischt (Boden, Wandfarbe, Aussenfarbe, Ausbau einer Nische, Beleuchtung, Bad Upgrade und Deko) und ihm so einen frischeren und vor allem unseren eigenen Look gegeben.
Wie lange habt ihr an eurem Ford E350 gearbeitet, bis ihr losgefahren seid?
Vom Kauf bis zur Losfahrt haben wir 26 Tage gearbeitet, die meisten davon sehr fleissig, andere auch mal gemütlich.
Der eine oder andere Camper gefällt euch sicher auch. Was wäre denn eure zweite Wahl?
Kommt auf das Reiseland an. In den USA würden wir wieder etwas grösseres nehmen, Mattias Traum ist ein Mercedes Sprinter 4×4 wie von Sportsmobile.
Damit wären einige spannende Offroad-Strassen in Utah, im Yukon oder in Alaska sicherlich besser machbar als mit unserem klassischen, schweren Wohnmobil mit Alkoven. Für unsere erste lange Reise war Henry Ford aber der perfekte Begleiter.
Wir hatten so wenig Probleme mit ihm bezüglich Motor oder Pannen und konnten trotz seiner Grösse und seinem Gewicht einige Schotterpisten fahren.
Dank dieser Reise haben wir aber bezüglich Fahrzeug einiges dazugelernt und wissen nun auch, worauf wir für das nächste achten müssen.
In der Schweiz suchen wir nun einen kleinen Bus in der Grösse eines VW T3 oder T4, da in Europa im Vergleich zur USA alles sehr viel enger ist. Mattias Bruder kam uns mit seinem T4 Synchro am Flughafen Zürich abholen und wir waren erstaunt, wie geräumig es war.
Hier sind wir auch nicht auf eine Dusche, WC und einen grossen Kühlschrank angewiesen, da sowieso alles viel schneller erreichbar ist im Vergleich zur wilden Weite Nordamerikas.
Wir sind auch schon in einem VW T2 durch Irland gereist, und wissen von da her, dass diese Grösse und auch der Ausbau ideal für solche Europa-Reisen sind.
Für das nächste grosse Projekt in Australien suchen wir dann wahrscheinlich einen Toyota Landcruiser, diese Idee ist aber erst ganz am Anfang. Eventuell wird da auch etwas gemietet oder wieder vorübergehend gekauft.
Landcruiser sind ja wegen ihrem Ruf leider in einer höheren Preisklasse.
Wieso reist ihr mit dem eigenen Fahrzeug und nehmt nicht einfach den Flieger?
Weil wir gerne ohne Zeitdruck unterwegs sind. Selbstverständlich muss man von A nach B, wie wir es von der Schweiz nach Nordamerika getan haben, oft den Flieger nehmen. Das Reisen mit dem eigenen Fahrzeug ist aber irgendwie viel gemütlicher und vor allem hat man viel mehr Freiheiten.
Genau das haben wir bei unserer Reise auch so geschätzt. Wir hatten alles dabei, waren z.B. nie auf Hotels angewiesen, konnten so lange an einem Ort bleiben wie wir wollten oder auch manchmal nochmals eine oder zwei Stunden weiterfahren, wenn es einem nicht gefallen hat.
Welche Länder habt ihr schon bereist und was waren eure Favoriten?
Wir haben vor dieser langen Reise schon sehr viele Länder besucht, mit dem Ford E350 waren es allerdings nur die USA und Kanada. Das sind zwar nur zwei 2 Länder, doch wenn man es auf Bundesstaaten runterbricht, waren es 22 verschiedene «Staaten».
Die meisten davon sind ja auch drei-, vier oder sogar zehnmal so gross wie die Schweiz. Dieser Vergleich ist immer wieder spannend.
Die Frage «Wo war es dann am schönsten?» ist immer die schwierigste, es kann nämlich immer zwei Seiten haben.
Neben der Landschaft spielen die Stimmung, die Gefühlslage und die Menschen, mit denen man in Kontakt kommt auch eine grosse Rolle.
Der Grand Canyon ist beispielsweise unbeschreiblich schön, doch wenn man zur falschen Zeit am falschen Aussichtspunkt ist, kann das Erlebnis ein ganz schreckliches sein. Selfie-Sticks und Touristenmassen in der Nähe der grossen Parkplätze oder Einsamkeit, Stille und die einzigartige Schönheit, wenn man in den Canyon herunterwandert.
Utah mit seinen vielseitigen National Parks (Zion, Bryce, Grand Staircase Escalante, Canyonlands, Arches), New Mexico (Whitesands und der Gila National Forest), der Yukon (das authentische Dawson City, der Cassiar Highway, Alaska Highway, und der unglaubliche Top of the World Highway), natürlich das unfassbare Alaska (Denali NP, das kleine einzigartige Chicken, die Kenai Peninsula inklusive Homer.
Aber auch die weniger berühmten Teile von Kalifornien (Redwoods, Hwy 1, Kings Canyon, Sequoia, Joshua Tree, Mojave) sind alles unvorstellbare schöne Orte.
Wir haben uns unzählige Male verliebt und fühlen uns nun sehr mit diesen Orten verbunden.
Was war die längste Strecke, die ihr bisher am Stück gefahren seid?
Das waren 782 Kilometer, von Forrest City nach Pensacola. Es war einer unserer letzten Tage der Reise und wir sind dabei durch 5 US Bundesstaaten gefahren.
Wir sind in Arkansas aufgewacht, fuhren kurz durch eine kleine Ecke von Tennessee, assen Lunch in Mississippi, um weiter durch Alabama zu fahren und übernachteten dann schliesslich in Florida bei Walmart.
Das war die längste Strecke an einem Tag.
Wir sind aber beispielsweise auch von Tok, Alaska durch den Yukon und British Columbia nach Vancouver in 7 Tagen gefahren. Das waren auch 3’100km, also mehr als 400km pro Tag für eine ganze Woche.
Diese Strecke fuhren wir schneller, da wir ja eine ähnliche Strecke hochfuhren und der Yukon einfach unglaublich riesig und unbewohnt ist.
Wo übernachtet ihr, wenn ihr mit eurem Camper unterwegs seid? Campingplatz? Wildcampen?
Am allerliebsten natürlich auf einem Gratis-Platz irgendwo im nirgendwo ganz allein. Es kommt auf die Situation und auf den Ort an. Wir nutzten verschiedene Apps, vor allem iOverlander oder RV Parky, um einen Spot zu finden.
Meist schauten wir am Mittag, wohin wir etwa fahren könnten und passten unsere Route dann danach an, wo es schöne Schlafplätze gab.
Während unserer Reise haben wir fast die Hälfte der Zeit gratis oder wild gecampt, zum Teil auch auf Walmart-Parkinglots oder an Autobahnraststätten.
Manchmal aber geht das nicht, zum Beispiel in Nationalparks, wo man mit einem Fahrzeug immer auf einen Campingplatz gehen muss. Wildcampen ist dort nur mit Zelt im «Backcountry» erlaubt und diese Regeln wollten wir auch befolgen.
Die Preise sind dort und auch in State Parks, den kleinen Brüdern der Nationalparks, auch meist ganz ok und die Plätze sind oft unglaublich schön und an einzigartigen Orten.
Private RV Parks oder Campingplätze haben wir vermieden so oft es ging, denn diese waren meist extrem teuer, da sie eben auch anderes anbieten als das reine Naturerlebnis (Full HookUps mit Fernsehempfang, Strom, Wasser usw.).
In Grossstädten haben wir oft die Webseite www.boondockerswelcome.com genutzt. Dort kann man für 30 Dollar Jahresgebühr bei anderen Vanlifern, RVern oder einfach freundlichen Leuten umsonst in ihren Einfahrten oder vor den Häusern übernachten, oft sogar mit Strom- und Wasseranschluss.
Das war immer eine sehr gute Lösung, denn die Innenstädte sind je nach Quartier ja nicht immer die sichersten.
Gibt es Dinge, die euch an diesem Lifestyle nerven?
Ja, leider gibt es trotz allem auch ignorante Leute, die selbst im Camper unterwegs sind und eben gewisse Regeln oder selbstverständliche Dinge nicht befolgen, die Natur und ihr Umfeld nicht respektieren, und sich inkorrekt gegenüber Wildtieren verhalten.
Wir haben zu oft gesehen wie Leute zu Nahe an Tiere heran gingen, sie fütterten, oder Ihren Abfall einfach zurückliessen.
Apropos nerven. Fliegen manchmal die Fetzen, wenn man zu zweit auf wenigen Quadratmetern lebt und reist?
Wer hier «nein» sagt, der lügt. Natürlich kommt es hin und wieder zu Streit oder Meinungsverschiedenheiten.
Das gute am Camperleben ist aber, dass man sich spätestens am Abend wieder vertragen muss, da man wegen dem wenigen Platz ja sowieso wieder so nahe an den Partner gerät, dass es mehr Sinn macht, wenn man sich wieder verträgt.
Generell haben wir aber nicht öfters gestritten als zuvor, meist hatte jemand, ok eher Catherine, Hunger, oder es ging um etwas sehr Lächerliches worüber wir danach auch ohne Problem wieder sprechen konnten.
Wir verbringen aber eigentlich immer gerne viel Zeit miteinander und geniessen diese zu zweit eben sehr.
Wie kocht ihr?
Im Camper hatten wir eine Küche mit Gasherd und drei Kochfeldern. Zusätzlich hatten wir einen Gasgrill für draussen und auch einen kleinen Dutchoven für Chili con Carne oder Gulasch über dem Feuer.
In Städten oder an speziellen Orten geniessten wir aber auch gerne mal das Essen in einem Restaurant oder einer Bar. Auch das gehört zum Reisen dazu.
Wieviel Geld braucht ihr denn ungefähr zum Leben/Reisen monatlich?
Vor unserer Reise haben wir mit einem Tagesbudget von 75 Dollar gerechnet. Da hatten wir aber von Tuten und Blasen noch keine Ahnung.
Nach unserer Reise haben wir abgerechnet und sind auf ein Tagesbudget von 105 Dollar für zwei Personen gekommen, da ist alles (sogar die Mechanik Kosten und 4 neue Pneus) inklusive.
Wir müssen dazu aber sagen, dass wir für unsere Verhältnisse sehr luxuriös gelebt haben.
Wir gingen immer wieder mal auswärts einen Kaffee trinken, ab und zu etwas essen oder kauften uns kleine Souvenirs.
Und wir sind auch extrem viel gefahren, 35’000 Kilometer in 202 Tagen, da rechnet sich das Benzin schnell einmal. (Einmal Tanken kostet eben zwischen 80 und 100 Dollar, in Kanada 150.)
Ein Tagesbudget von 75 Dollar oder weniger ist sicherlich ohne Probleme machbar, wenn man länger an einem Ort bleibt und generell das Ganze weniger als Reise und mehr als full-time Lifestyle sieht.
Wie finanziert ihr euch eure Reise? Arbeitet ihr auch von unterwegs aus?
Wir haben vorher beide 100% gearbeitet und so unser Reisebudget angespart.
Was sind denn eure Zukunftspläne bezüglich Vanlife? Plaudert doch ein bisschen aus dem Nähkästchen!
Bis im frühen Frühling wollen wir spätestens einen kleinen, Europa-tauglichen Bus gefunden haben, um damit in der Schweiz und in Europa umherkurven zu können. Wir haben den steten Drang, bald wieder auf der Strasse zu sein.
Dann planen wir, nun wieder etwa 2 – 3 Jahre im Lohnparadies Schweiz zu arbeiten und danach wieder länger «abzuhauen».
Eine Idee ist Australien, es kann aber auch der zweite Teil der Panamericana (den ersten haben wir ja bereits gemacht), Nordeuropa oder sonst etwas werden. Wir sind auf jeden Fall noch nicht und wahrscheinlich auch nie fertig mit dieser Art von Reisen.
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